Aber der ist nicht reinrassig!!!!

„Die Definition von Wahnsinn ist,
immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.“

(nein, das ist kein Zitat von Albert Einstein.
Wer auch immer das gesagt oder geschrieben hat, es stimmt!
Dieses Zitat wird meist Einstein zugeschrieben - es wäre damit mit "Herkunft gesichert" etikettierbar - de facto ist der Urheber nicht bekannt, es ist also ein oh Gott oh Gott-Mischlings-Zitat! wird's dadurch weniger zutreffend?)

 

 

 

Die Rassehundezucht, wie wir sie heutzutage kennen, arbeitet erst seit ca. 150 Jahren mit geschlossenen Zuchtbüchern, was heisst: es wird nur miteinander verpaart, was aus der gleichen Rasse kommt.

 

Das heisst aber auch, dass die ganze Genvielfalt, die irgendwann mal da war, als man das Zuchtbuch schloss, das Maximum bedeutete. Mit zunehmenden Würfen, die auf diesem Prozent fussen, vermindert sich die Genvielfalt deutlich. Was verloren ist, kehrt nicht zurück.

 

Die Rasse wird vom Menschen definiert – es gibt einen Zuchtstandard, wo die äusserlichen Merkmale und charakterlichen Eigenschaften des Hundes beschrieben sind. Als Idealbild. Beim Kromfohrländer umfasst der aktuelle Standard (12.10.1998) bezüglich des Wesens gerade mal zwei Sätze, der Rest der fünf Textseiten bezieht sich auf das Äusserliche, den Phänotyp.

 

Nun gut, wir haben also einen schriftlich definierten Hund; reinrassig gezüchtet ergibt sich beim Kromfohrländer ein Durchschnittswert der genetischen Varianz um die 26% (Stand Sommer 2020, MyDogDNA).

 

Wir vergleichen mit dem Durchschnitt aller Rassehunde um die 34% (Stand Sommer 2020, MyDogDNA).

 

Egal, wie der Kromi aussieht – ob rauh-, glatt- oder kurzhaarig – er ist genetisch verarmt.
Er hat im Vergleich mit seinen reinrassigen Hundefreunden deutlich weniger verschiedene Gene – vergleicht man mit dem Durchschnitt der Mischlinge um die 43% (Stand Sommer 2020, MyDogDNA) wird der Abstand noch grösser.

 

Prof. Dr. med. vet. Irene Sommerfeld-Stur hat in einem Interview (Schweizer Hundemagazin, 8/18) auf die Frage, was sie denn Zuchtverbänden von Rassen mit einem stark verarmten Genpool rät, gesagt:

 

 

„Hier geht meine Empfehlung ganz eindeutig in die Richtung:
weg von geschlossenen Populationen. Das Dogma der Reinrassigkeit von Rassehunden und die Angst vor der Kreuzung ist die wohl verhängnisvollste Grundlage der modernen Rassehundezucht.“

 

 

 

Univ.-Prof. Dr. Achim Gruber , PhD, Dipl. ECVP antwortet auf die Frage, ob er die Hunderassen abschaffen wolle (vetline.de, Interview vom 29.9.2023):

 

 

 

"Nein, natürlich nicht. Rassen an sich sind ja gar nicht das Problem.
Gute Rassezucht kann viel Freude und Qualität in die Mensch-Tier-Beziehung bringen.
Doch die erst seit rund 150 Jahren, teils erst deutlich später, praktizierte Zucht REINER Rassen mit geschlossenen Zuchtbüchern, oft dramatischer genetischer Verarmung, vielfachen Degenerationen und zahlreichen krankmachenden Zuchtzielen muss dringend auf den Prüfstand."

 

 

Die Vereine in der FCI haben die Möglichkeit der Zucht mit Registerbüchern, sie wird allerdings sehr selten praktiziert – weil – nur ein reinrassiger Hund ist ein „richtiger Hund“.

 

Wie falsch dies ist, zeigen anschaulich die Beispiele der genetischen Varianz und der Realität im Alltag.

 

Wir kennen alle die froschbeinigen Schäferhunde, die kurz/krummbeinigen Dackel und vom brachycephalen Drama bei Mops, Bulldogge und Co. muss man gar nicht erst anfangen, das ist allseits bekannt.

 

Was passiert aber? Konkret? Wenig bis nichts. Hunderassen, bei denen die Defektzucht körperliche Merkmale offensichtlich macht, werden als Qualzuchten erkannt. In der Umsetzung für die Zukunft wirds holprig. Es ist zu hoffen, dass da so langsam Bewegung ins Thema kommt.

 

Hunderassen, die aber „nur“ genetisch verarmt sind, die optisch gefällig und vermeintlich passend daher kommen, fallen durchs Raster. Dabei sind das genauso Konsequenzen der reinrassigen Zucht, die in der Sackgasse gelandet sind. Nur, weil man von Aussen nichts sieht, heisst das nicht, dass alles ok ist. Im Gegenteil.

 

Warum die Verminderung der genetischen Varianz so verhängisvoll ist, erklärt Frau Sommerfeld-Stur auf ihrer Website sehr anschaulich.

 

Fotos von Brigitte Marty Kreisl
Fotos von Brigitte Marty Kreisl

 

Mein erster Kromfohrländer-Rüde war reinrassig, seine genetische Varianz lag leicht über der des Durchschnitts-Kromfohrländers – bei 28,6%. Vergleicht man mit den anderen Rassehunden und dem Mischling sind diese 28,6% sehr sehr tief.

 

Meine jüngste Kromfohrländer-Einkreuzhündin aus dem VRK Projekt hat 46% an genetischer Varianz. Sie liegt sogar verglichen mit einem Mischling im ganz oberen Bereich.

 

Ihre Chancen auf ein gesundes Leben sind schlicht und einfach viel besser, als die von Tuba, meinem Rüden.

 

Die genetische Varianz ist nicht alles, aber sie ist sehr viel! Sie bildet das Fundament für alle anderen wichtigen gesundheitlichen Bedingungen, die ein gesundes Hundeleben ausmachen.

 

Das ist ja nur ein Mischling! Das ist kein richtiger Kromi!

 

Solches hört man öfter in den sozialen Medien… gehässig wird über „diese Mischlingskromis“ hergezogen…

 

Das entlockt mir ein Schulterzucken…

 

Was u.a. Anlass zum Schmunzeln gibt, ist die Tatsache, dass der Kromfohrländer noch nie! reinrassig war. Er entsprang aus der Verpaarung einer Foxterrier-Hündin und einem Mischlingsrüden (nein, der Urpeter war definitiv kein Rassehund!). Es war und ist seit dem Start eine Mischlings-Geschichte, die später verklärt worden ist mit der Mär einer Hybrid-Verpaarung.

 

Was nützt denn der FCI-Stammbaum, was nützt die Reinrassigkeit dem Hund? Ihm selber? Null, niente, nada. Ihm ist das völlig wurscht! Er wäre mutmasslich froh über genügend genetisches Rüstzeug für sein Leben.
Die Besitzer können sich die Reinrassigkeits-Papiere an die Wand hängen – sind diese ein Trost, wenn die Erkrankungen kommen, wenn charakterliche Defizite den Alltag erschweren und man den Weg zum Tierarzt fast blind fahren kann?

 

Aber meiner ist reinrassig!
Ja bitte – da sind mir bei meinen Hunden ein wenig grössere Ohren vielleicht oder mal ein schwarzer Fleck, 2 cm über Standard Grösse lieber – mein Hund sieht aus wie ein Kromfohrländer, ist sehr sensibel und auf mich bezogen, bringt charakterlich all die Eigenschaften mit, die ich am Kromi so liebe – ist aber trotzdem viel offener, fröhlicher, belastbarer als mein reinrassiger Rüde.

 

 

Die Vergleiche sind mannigfaltig – ja, meine sind NICHT reinrassig, ganz bewusst nicht! Eben WEIL die Reinrassigkeit mit so viel Inzuchtdepression, erhöhtem Krankheitsrisiko und oft schwierigem Charakter einher geht. GENAU darum!

 

 

Aber dann sind es keine „richtigen“ Kromfohrländer! – Was ist richtig? Welcher Hund entspricht dem Kromfohrländerstandard im höchsten Masse? Mancher mit FCI Stammbaum auch nicht.

 

 

Das Reinrassigkeit-Dogma hat viele Rassehunde in die Enge getrieben – wir haben heute viel züchterisches Rüstzeug zur Hand – wer es bewusst nicht nutzt, muss das selber verantworten.

 

 

Wer das Risiko liebt und damit leben kann, dass man mit Scheuklappen stur weiter reinrassig züchtet, ohne alle Möglichkeiten einzubeziehen, die es schon längst gäbe (aktuelle Gesundheitschecks vor jedem Wurf, Anwendung von allen! verfügbaren Gentests beim Kromfohrländer, Einkreuzen mit der Möglichkeit des Registerbuches) – der darf gerne bei seinem Thema „aber nur der Reinrassige Hund ist ein guter Hund-Dogma“ bleiben.

 

 

 

Nein, meine Kromis sind nicht reinrassig – und das ist gut so – volle Absicht!

 

 

Fotos von Brigitte Marty Kreisl
Fotos von Brigitte Marty Kreisl

 

Der Zuchtverein, dem ich angeschlossen bin, führt ein ambitioniertes Einkreuzprojekt. Im Verein für Rauhaarige Kromfohrländer VRK sind bis Mai 2025 343 Welpen aus diesem Zuchtprojekt ins VRK Zuchtbuch eingetragen worden

.

Bei jedem von ihnen sind die Startbedingungen viel besser angelegt als beim reinrassigen Kromfohrländer. Nebst mehrfach getesteten Eltern wird durch das Einkreuzen die Genvielfalt massiv und nachhaltig aufgefrischt.

 

Kein Züchter, kein Zuchtprogramm kann 100% Garantien geben auf Gesundheit und ein langes Leben.

 

Aber - ein Zuchtprojekt kann viel bessere Bedingungen schaffen für die Hunde und die Risiken auf Krankheit und schwierige Charakterzüge massiv senken. Das ist möglich. Der VRK beweist dies seit mittlerweile über 14 Jahren.

 

Aber die Hunde sind dann nicht reinrassig!

 

Richtig! Und das ist gut so!